Mehr - oder die Entdeckung der Langsamkeit

Vor einiger Zeit begann ich, meinen künstlerischen Weg neu zu definieren – und als das vergangene Jahr in den Herbst ging, offenbarte sich mir eine Erkenntnis nach der Anderen. Mir war es lange ein Ziel, den Menschen in seiner klaren, unübersehbaren Intensität zu zeigen – sichtbar, markant und kraftvoll im Zentrum des Bildes. Alles mit einem Bildlook, der an die Handschrift großer Portraitfotografen erinnern sollte und dennoch (oder besonders) mit meinem ganz eigenen Fingerabdruck darauf. Doch mit der Zeit drängte sich mir eine leise Frage ins Bewusstsein:

„Braucht die Atmosphäre, die Stimmung und die ungreifbare Energie, die ich einzufangen versuche, nicht mehr Raum in meinen Bildern?“

In einem plötzlichen Moment, erkannte ich, dass es mir nicht genügt, lediglich ein Porträt zu erschaffen. Es gilt, die Essenz dieser vergänglichen Magie einzufangen – jene flüchtigen, emotionalen, Momente, in denen sich die unsichtbare Verbindung zwischen Fotograf und Mensch auf wundersame Weise offenbart. Auch wenn, das vom menschen sichtbare nicht mehr im Vordergrund steht. Vielleicht auch, weil Entschleunigung so wichtig ist für mich, damit der Lärm der Welt für mich so mehr in den Hintergrund rückt.

Ein entscheidender Wendepunkt in diesem Erwachen war die Hinwendung zu meiner Kamera, die mit ihrem Messucher und dem manuellen Fokus ein altes, fast vergessenes Element wiederbelebt. Das Unauffällige. Weg vom lärmenden Dauerfeuer hochgezüchteter Kameratechnik, dessen ständiges „Geschnatter“ die Atmosphäre zerreißt, fand ich im leisen Einfangen des Moments eine tiefe, beinahe mystische Ruhe. Ohne den Ballast überflüssiger Ausrüstung – jenes technische Gerippe, das ich bereits vor Jahren hinter mir ließ – enthüllte sich mir eine neue Dimension, die ich bereits vor Jahren „Unplugged Photography“ taufte.

Dabei erkannte ich: Es sind nicht allein die Geräte, sondern das Zusammenspiel und Wirken aus Ort, Atmosphäre und der Verbindung zu den Menschen, die meinen Werken ihren wahren Kern verleihen.

Diese neu gewonnene Erkenntnis beflügelte mich, einen Vortrag zu gestalten, der weit mehr ist als nur das Aneinanderreihen von Bildern und ihren Geschichten. Im Herbst letzten Jahres, als ich meine Unplugged-Photography in der LEICA Galerie in Frankfurt  präsentierte, empfing mich viel positives Feedback, der mir den Weg noch mehr bestätigte. Mein neuer Vortrag „Mehr“ soll eine besondere Verbindung aus selbst verfassten Texten und ausgewählten Bilderserien werden – ein emotionales Erlebnis, das die Zuhörer mitnimmt auf eine Reise in den Augenblick des Entstehens, in dem Authentizität und Spontaneität verschmelzen.

In einigen Wochen werde ich eine erste Premiere in einem kleinen Kreis von Freunden und Gästen erleben dürfen – ein Auftakt zu einer Reihe von Vorträgen, die später in einem größeren Rahmen fortgeführt wird. So entsteht ein Raum, in dem nicht nur das Sichtbare, sondern vor allem das Fühlbare erlebbarer wird.

Ich glaube, dass in dieser Zeit der sozialen Medien, Bilder nur noch zu Spitzen von Eisbergen werden deren wahres Gewicht für den Betrachtenden unsichtbar bleiben. Wie Gefriergetrocknete Zutaten die man auf den Esstisch stellt. Im Verhältnis zum eigentlich Essen, welches man kochen und servieren möchte. Mit Wein und guter Musik im Hintergrund beim richtigen Licht.

Sie sind so des Zeigens in diesem Rahmen, kaum mehr Wert als ein Hinweis darauf, dass mal irgendwo, irgendwann ein vielleicht besonderes Bild entstanden ist.  Ohne eine Geschichte, ohne den Geschmack, den Geruch und ohne das Erlebnis selbst. Klein wie eine Briefmarke. Zu sehen für eine Sekunde oder zwei – im besten Fall.

„Mehr“ – darin steckt auch ein großes „M“; Für die LEICA – M, die mir die Entschleunigung zurückbrachte und meine nächste Phase

 

Aber „mehr“ dazu, in meinem Vortrag.

 

 

 

 

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Zerbrochene Spiegel